Presseartikel

Jutta Ott-Gmelch, Redaktion
Intergenerationelle Traumatisierung und Dissoziation
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Presseartikel von Peter D. Wagner
Mergentheimer Lokalzeitung
, 30. September 2011

Psychotherapeutisches Zentrum (PTZ) Kitzbergklinik:
Fachexperten aus dem In- und Ausland tagten in der Kurstadt
Bad Mergentheim. Rund 300 Experten aus dem In- und Ausland waren Gäste und Referenten einer zweitägigen Fachtagung in Bad Mergentheim, die das Psychotherapeutische Zentrum (PTZ) Kitzbergklinik Bad Mergentheim in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Trauma und Dissoziation (DGTD) in der Kurstadt veranstaltete. Unter der Schirmherrschaft von Stephanie zu Guttenberg stand im Kurhaus, im Best Western Hotel sowie im Psychotherapeutischen Zentrum in Vorträgen, Workshops sowie einer Podiumsdiskussion das Thema "Intergenerationelle Traumatisierung und Dissoziation" im Mittelpunkt.

"Wie wirkt sich ein Trauma der einen Generation auf das Leben der Betroffenen und auf das Leben nachfolgender Generationen aus? Wie führen traumatisierende Kriegserlebnisse zu einer schier endlosen Fortsetzung von Konflikten? Welche Auswirkungen hat häusliche Gewalt und wie setzt sie sich fort?", lauteten wesentliche Kernfragen, die teilweise bereits in der Einführung von Michaela Huber, Vorstand der DGTD, aufgegriffen wurden. Sie erinnerte daran, dass die meisten der Teilnehmer einer Generation angehören, die eine traumatische Kriegserlebnisse tragende Elterngeneration bis zu deren Tod begleiten werde. "Wie viele von uns haben diesen Beruf ergriffen, weil sie ihre Eltern nicht heilen konnten", meinte Huber. "Wir wollen Menschen, die Leid erfahren haben, nicht pathologisieren, sondern sie verstehen, begleiten und, wenn es geht, heilen", fügte die Referentin differenzierend hinzu.

Huber erwähnte anstelle der erkrankten Schriftstellerin Dr. Svenja Goltermann, welche Folgen Gewalterfahrungen im Zweiten Weltkrieg für die Soldaten selber sowie für deren Familien mit sich brachten. Die Krankenakten psychiatrisch behandelter Soldaten als Quellenmaterial nutzend, habe Goltermann deutlich gemacht, wie schwierig es für die Betroffenen und ihren Angehörigen gewesen sei, wieder in den Alltag zurückzufinden. Zugleich sei deutlich geworden, dass die damalige Therapie psychisch bedingte Leiden nicht mit dem Krieg in Verbindung gebracht habe und welche Konsequenzen sich daraus für Politik und Gesellschaft ergeben hätten.

"Transgenerationale Traumatisierung beruht auf Prozessen, die nicht ganz einfach zu verstehen sind, insbesondere dann, wenn den Kindern nichts erzählt worden ist, sondern es sich um ein stummes Trauma der Erwachsenen handelt", verdeutlichte Prof. Dr. Reinhard Plassmann, Ärztlicher Direktor des PTZ. Die Anerkennung, dass transgenerationale Weitergabe von Erfahrung und transgenerationale Heilung notwendig seien, nannte er als Grundlage eines therapeutischen Ansatzes. Er verdeutlichte zudem, dass Gewaltbilder in den digitalen Medien beim Konsumenten weitgehend unverarbeitet blieben. Vor allem Kinder und Jugendliche liefen Gefahr, von "einer Wolke unverarbeiteter Eindrücke umnebelt" zu werden. "Krankhafte Verhaltensauffälligkeiten wie etwa das Aufmerksamkeitssyndrom ADHS stehen damit im Zusammenhang", meinte Plassmann.

"Im Schatten des Holocausts: Angst und Verlust von Mitgefühl im israelischen Diskurs" lautete ein spannender Vortrag von Eli Somer von der Universität Haifa. Der noch junge jüdische Nationalstaat Israel sei aufgrund einer durch den Holocaust bedingten existentiellen Dringlichkeit sowie inmitten eines blutigen, existenziellen Konfliktes mit den arabischen Nachbarn und den palästinensischen Einwohnern ins Leben gerufen worden. Dreiundsechzig Jahre nach seiner Gründung lebe Israel immer noch im bewaffneten Dauerkampf. Der kulturelle und politische Diskurs werde durch existenzielle Angst und Argwohn, geminderte Einfühlung in das Leiden des vermeintlichen Feindes sowie eine aus der Situation resultierende aggressive Anspruchshaltung und Selbstgerechtigkeit bei drohenden Kritiken gegen das nationale Ethos gekennzeichnet.

Im Anschluss an einen Vortrag von Dr. Luise Reddemann darüber, was aus der Geschichte gelernt werden sollte, um zu mehr Toleranz und Frieden beizutragen sowie einer Podiumsdiskussion unter Leitung von Huber und Harald Schickedanz, Chefarzt des Plankrankenhauses Kitzberg-Klinik, wurde die Tagung im weiteren Verlauf unter anderem mit verschiedenen thematischen Seminarblöcken in Workshops fortgesetzt. Am Samstag überbrachte Udo Glatthaar, Oberbürgermeister der Stadt Bad Mergentheim, zum Tagungsabschluss im Kinderzentrum der Kitzbergklinik Grußworte, die starke Ressonanz fanden.
Während der Tagung wurde im Foyer des Kurhauses eine Ausstellung mit gemalten Bildern von Patientinnen präsentiert. "Im traumatherapeutischen Bereich spielt die klinische Kunsttherapie eine wichtige Rolle, da dadurch oft kaum Fassbares zu einem anschaubaren Gegenüber werden kann", erklärt Renate Stachetzki, Leitende Psychologin des Plankrankenhauses der Kitzberg-Klinik und Klinische Kunst- und Gestaltungstherapeutin.

"Mit ‚Intergenerationelle Traumatisierung und Dissoziation’ haben wir, wie die sehr positive Resonanz der Teilnehmer bewies, ein Thema von sehr großem allgemeinem Interesse gewählt", zog Plassmann abschließend ein durchwegs positives Fazit.  pdw

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