09.30 Uhr – Eröffnungsvortrag

Transgenerationale Traumatisierung im stationären Rahmen: Einige Beobachtungen und einige grundsätzliche Überlegungen

Prof. Dr. med. Reinhard Plassmann
Ärztlicher Direktor Kitzberg-Klinik Bad Mergentheim, Psychotherapeutisches Zentrum


Abstract:
Transgenerationale Traumatisierung scheint auf Prozessen zu beruhen, die nicht ganz einfach zu verstehen sind, insbesondere dann, wenn nach allem Kenntnisstand den Kindern nichts explizit erzählt worden ist, es sich also um ein verschwiegenes, stummes Trauma der Erwachsenen handelt. Wie kann also im Kind ein komplettes Traumaschema entstehen von Ereignissen, über die nicht gesprochen wurde? Nützlich ist, hier die Wege der impliziten Kommunikation genau zu beobachten und zu untersuchen: die Entstehung eines Narrativs von dem, worüber nicht gesprochen wird. Zugleich ist es nützlich, sich den Sinn solcher Vorgänge zu verdeutlichen, d.h. letztlich den Sinn der sozialen Vererbung emotionaler Erfahrung von einer Generation zur nächsten. Hieraus ergeben sich dann auch die therapeutischen Ansätze:

  • Die Anerkennung der Notwendigkeit transgenerationaler Weitergabe von Erfahrung,
  • die Anerkennung der Notwendigkeit transgenerationaler Heilung.

Kurzbiographie: 

Prof. Dr. med. Reinhard Plassmann Ist Nervenarzt, Facharzt für psychotherapeutische Medizin, Lehr- und Kontrollanalytiker (DPV) und EMDR-Therapeut. Er ist Ärztlicher Direktor des Psychotherapeutischen Zentrums Kitzberg-Klinik in Bad Mergentheim und Professor der Universität Kassel. Arbeitsschwerpunkt ist die stationäre Psychotherapie mit Erwachsenen und Kindern.

Letzte Buchpublikationen:

  • Die Kunst des Lassens, Psychosozialverlag 2007
  • Im eigenen Rhythmus, Psychosozialverlag 2008

 

09.30 – 10.00 Uhr

Intergenerationale Bindungen, Trauma und Dissoziation: Ursachen, Therapie und Prävention

Karl-Heinz Brisch

Kurzbiographie: 
Karl-Heinz Brisch, Dr. med. habil., Privatdozent, ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatische Medizin, Nervenheilkunde, Psychoanalytiker für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Gruppen. Er ist in spezieller Traumapsychotherapie für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ausgebildet. 

Er leitet als Oberarzt die Abteilung für Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie an der Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er ist Dozent, Lehranalytiker und Supervisor am Psychoanalytischen Institut Stuttgart. 

Sein Forschungsschwerpunkt umfasst den Bereich der frühkindlichen Entwicklung. Er untersucht die Entstehung von Bindungsprozessen und ihren Störungen. 

Er publizierte zur Bindungsentwicklung von Risikokindern sowie zur klinischen Bindungsforschung. Autor der in viele Sprachen übersetzten Monographie "Bindungsstörungen". Gastprofessor an der University of Auckland / Neuseeland. 

Der Referent ist deutscher Vorsitzender der Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit (GAIMH e. V. – German-Speaking Association for Infant Mental Health).

10.30 – 11.00 Uhr

Von der schwarzen Pädagogik zur sicheren Bindung

Marion Seidel

Abstract:
Traumatisierungen bleiben nicht auf einer Generation beschränkt, sondern werden in der Art und Weise des Umgangs mit den erlittenen Traumata mehrgenerational weitergegeben. Die Auswirkungen des ersten und zweiten Weltkrieges, sowie die preußische und faschistische Erziehung prägt noch immer die Eltern-Kind-Beziehung. Insbesondere Mütter geben unbewusst Erziehungseinstellung und Ideale an die nachfolgenden Generationen weiter, wobei sie selbst unter den Auswirkungen ihrer eigenen Erziehung extrem leiden, diese aber nicht in einem Gesamtkontext betrachten können. Sie werden durch Weinen, Aggressionen, Lebendigkeit der eigenen Kinder getriggert und reagieren entweder wie die eigenen Eltern als Abwehr von Ohnmacht und Hilflosigkeit oder werden von der eigenen Hilflosigkeit überschwemmt, um nur einige Beispiele zu nennen. Die Interaktionsmuster beeinflussen nachhaltig die Eltern-Kind-Beziehung und wirken sich immer störend auf die Bindung aus. Das Verstehen der dysfunktionalen Muster und der Veränderung führt zu nachhaltig verbesserten Beziehungen zwischen Eltern und Kindern. 

Im Workshop soll anhand von Beispielen (Videos etc.) die o. g. Interaktionsmuster und die transgenerationale Weitergabe von Traumatisierungen vertieft werden.

Kurzbiographie: 
Dr. med. Marion Seidel, Krankenschwester, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Ausbildung in analytischer Gruppentherapie in Göttingen/ Tiefenbrunn

Arbeitsschwerpunkte: Traumatisierung in der frühen Kindheit und Essstörungen, 2002 bis 2009 tätig als Leitende Oberärztin und seit 01.06.2009 Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie, -psychosomatik und Mutter-Kindpsychotherapie im Psychotherapeutischen Zentrum Bad Mergentheim

Workshop 8: 13.30 – 15.30 Uhr

Genogramm und transgenerationale Traumatisierungen

Renate Stachetzki

Abstract:
Das Genogramm ist ein diagnostisch-therapeutischer Zugang zu transgenerationellen Phänomenen. Vorgestellt wird die Methode des Erstellens von Genogrammen mit Hilfe konkreter Symbole (Bilder und Gegenstände) und das diagnostisch-therapeutische Umgehen damit. Es kann dabei die Arbeit mit konkreten Symbolen kennen gelernt werden und anhand klinischer Beispiele das Erfassen transgenerationeller Traumatisierungen und die therapeutischen Perspektiven.

Kurzbiographie: 
Renate Stachetzki, Dipl.-Psych., tiefenpsychologisch und traumatherapeutisch ausgerichtet, in der stationären Psychotherapie seit 1978. Seit 2009 Ltd. Psychologin im PTZ Kitzbergklinik, Bad Mergentheim. Klinische Kunst- und Gestaltungstherapeutin (DAGTP) und Mitarbeiterin am SITP im Bereich Symbolarbeit.

Workshop 9: 13.30 – 15.30 Uhr

Dissoziative Mütter und ihre Kinder

Marion Seidel

Abstract:
Frauen, die sexueller und körperlicher Gewalt ausgesetzt waren und Frauen, die aufgrund transgenerationeller Traumata selbst keine bindungsfähigen Eltern zur Verfügung hatten, reagieren in spezifischer Weise auf das Verhalten ihrer Kinder. Sowohl die Wiederholung eigener Traumata innerhalb des Kontextes der Kernfamilie als auch spezifische Bindungsbesonderheiten sind kennzeichnend für den Umgang der Mütter mit ihren Kindern und im Gefolge für die Bindung. Die Kinder ihrerseits reagieren mit Verhaltensauffälligkeiten und -besonderheiten auf die Verhaltensmuster der Mütter bzw. Eltern. Im Workshop sollen Möglichkeiten aufgezeichnet werden, ein Bewusstsein bei den Müttern sowie allen Beteiligten in den Helfersystemen für die besonderen Interaktionsmuster zwischen Müttern bzw. Eltern und ihren Kindern zu schaffen.

Kurzbiographie: 
Dr. med. Marion Seidel, Krankenschwester, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Fachärztin für Psychotherapeutische Medizin, Ausbildung in analytischer Gruppentherapie in Göttingen/ Tiefenbrunn

Arbeitsschwerpunkte: Traumatisierung in der frühen Kindheit und Essstörungen, 2002 bis 2009 tätig als Leitende Oberärztin und seit 01.06.2009 Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie, -psychosomatik und Mutter-Kindpsychotherapie im Psychotherapeutischen Zentrum Bad Mergentheim

Workshop 10: 13.30 – 15.30 Uhr

Rituelle Gewalt und spezifische Hilfsangebote – eine Standortbestimmung

Thorsten Becker / Silvia Eilhardt

Abstract: 
Folgen Ritueller Gewalt unterscheiden sich deutlich von den Auswirkungen durch Gewalterfahrungen im Rahmen Organisierter Kriminalität: Dissoziative Störungen, ideologische Bindungen und eine häufig berichtete transgenerationale Weitergaben von Täter- und Opferstatus sind Charakteristika, die bestehende Hilfeangebote zu beispielsweise Prostitution oder Menschenhandel, sowie Opferschutzeinrichtungen an ihre Grenzen bringen. Nicht nur aufgrund fehlender dezidierter Hilfeangebote ist ein multiprofessioneller Ansatz notwendig, um u.a. den oben genannten Traumafolgen zu begegnen.

Literatur

  • Th. Becker (2010): Was wir über gewaltausübende, ideologische Kultr. Täter und Täterstrukturen wissen – eine Betrachtung. In: C. Fliss/ C. Igney: Handbuch Ritueller Gewalt. Lengerich Pabst Science Publishers.
  • Th. Becker, W. Karriker, B. Overkamp & C. Rutz (in Vorbereitung): Extreme Abuse Survey Serie: Entwicklung – Ergebnisse - Folgen
  • S. Eilhardt (2010): Interdisziplinäre Vernetzung. In: C. Fliss/ C. Igney: Handbuch Ritueller Gewalt. Lengerich Pabst Science Publishers.

Kurzbiographien: 
Thorsten Becker. Diplomsozialarbeiter / Diplomsozialpädagoge und systemischer Supervisor, freiberuflich tätig in Supervision, Fachberatung, Fortbildung und Beratung / Betreuung mit einer Spezialisierung auf die Problemfelder Kulte, Rituelle Gewalt, dissoziative Störungen und organisierte Gewalt gegen Kinder (www.BeckerTho.de).


Silvia Eilhardt.
Aussteigerberaterin im Bereich Satanismus, Rituelle Gewalt, Rechtsextremismus beim Amt für Jugendhilfe und Schule, Abteilung Erziehungshilfe und Jugendförderung, Leiterin des interdisziplinären Arbeitskreises Rituelle Gewalt im Kontext mit Satanismus, Fachberaterin für den Aufbau von Arbeitskreisen zum Thema Rituelle Gewalt / Satanismus.

Workshop 11: 13.30 – 15.30 Uhr

Mit der Phobie vor der Wahrnehmung von Gefühlen und Körpererleben umgehen lernen. Erfahrungen aus der stationären Traumatherapie.

Peter Heinz / Gabriela Wild

Abstract: 

In dem Behandlungsprogramm für PatientInnen mit komplexen Traumafolgestörungen an der Klinik St. Irmingard in Prien am Chiemsee spielt neben der Einzeltherapie und Psychoedukation ein störungsspezifisches Gruppenangebot eine zentrale Rolle. Vorbereitet durch ein Skillstraining und Ressourcenarbeit erfolgt in der Übungsgruppe eine vorsichtige Aufmerksamkeitsfokussierung auf meist aversiv erlebte Gefühls- und Körperzustände. Neben Achtsamkeitsübungen kommen hierbei vor allem Elemente aus der Tanz- und Körpertherapie zum Einsatz. In dem Seminar werden die Grundzüge des Konzepts praxisnah vorgestellt.

Kurzbiographien: 
Dr. Peter Heinz. Leitender Oberarzt der Psychosomatischen Abteilung, Klinik St. Irmingard in Prien am Chiemsee, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin, Spezielle Psychotraumatologie (DeGPT), EMDR. p.heinz@st-irmingard.de

Gabriela Wild, Tanztherapeutin, Traumatherapeutin (PITT), Klinik St. Irmingard und freie Praxis (tanzwild@gmx.de)

Workshop 12: 13.30 – 15.30 Uhr

Strukturierte Supervision bei Dissoziation – Ein Modell für die Fallsupervision

Petra Hafele

Abstract: 
Menschen, die schwere Formen der Gewalt und Lebensbedrohung erlebten, lösen nicht nur in ihren Familien starke seelische Reaktionen aus. Auch diejenigen, die ihnen Hilfe anbieten, können davon betroffen sein.

Die Lebensgeschichten traumatisierter Menschen können in professionellen Helfer/innen tiefe Betroffenheit, Hilflosigkeit, Angst, Wut oder Rettungsphantasien hervorrufen. Der Terror in den Köpfen der Gewaltüberlebenden kann sich dann auf sie übertragen und sie riskieren, eigene Symptome zu entwickeln.

Manchmal überfordern die Verhaltensweisen und Symptome seelisch schwer verletzter Menschen ihre Therapeuten/innen auch direkt und unmittelbar. Wenn sie in Suizidkrisen geraten, sich selbst verletzen, aggressive Verhaltensweisen zeigen oder weit reichende Amnesien haben, können ganze Helferteams an den Rand ihrer Belastbarkeit geraten.

Für diese Herausforderungen ist das Konzept der "Strukturierten Supervision bei Dissoziation" (in Huber 2011) hilfreich, weil es die Experten/innen der Psychotraumatologie dabei unterstützt, die jeweilige psychosoziale Situation der verletzten Menschen, ihre Traumageschichte und die diagnostische Zuordnung der Symptome im Hinblick auf den Schweregrad der Dissoziation einzuordnen.

Anmerkung: 
Das Konzept habe ich unter Berücksichtigung der Theorie der "Strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit" (van der Hardt et.al. 2008) aus der "Strukturierten Supervisionsmethode" (Haans und Lansen 2004) weiterentwickelt. In Michala Hubers Handbuch "Viele Sein" erscheint demnächst mein Artikel zur "Fallsupervision bei Komplextrauma".

Kurzbiographie: 
Petra Hafele arbeitet in der Frauenberatungsstelle in Remscheid und in eigener Praxis. Sie ist Dipl. Sozialwissenschaftlerin, DGSv-Supervisorin, Psychotraumatologin und Mitglied in der DeGPT, der DGTD und bei EMDRIA.