Freitag, 19. September 2014



10.00 – 10.30 Uhr

Trauma, Dissoziation und Persönlichkeitsstörungen

Priv.-Doz. Dr. med Wolfgang Wöller

Abstract: 
Dissoziative Mechanismen kommen bei Patienten mit traumabedingten Persönlichkeitsstörungen häufig vor. Besonders schwere dissoziative Phänomene entwickeln sich im Kontext von Gewalt und sexuellen Übergriffen in Bindungsbeziehungen, aber auch im Kontext emotionaler Vernachlässigung. Sie dienen der Abwehr intensiver Affekte und können auch für die Abspaltung ganzer Persönlichkeitsanteile verantwortlich sein. Meist ist das Bindungssystem im Sinne einer Desorganisation der Bindungsmuster betroffen. Interpersonelle Verwicklungen und widersprüchliche Übertragungsmuster prägen alle wichtigen Beziehungen.

Ein psychodynamisches Verständnis von dissoziativen Phänomenen und Persönlichkeitsstörungen als Folge von Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen schafft in Verbindung mit einer ressourcenorientierten Grundhaltung einen neuen therapeutischen Zugang bei einer Gruppe von Patienten, die trotz dringender Behandlungsbedürftigkeit noch immer als therapeutisch schwer erreichbar gilt. Es soll eine integrative ressourcenorientierte Behandlungskonzeption vorgestellt werden, die sowohl Elemente traumatherapeutischer Ansätze wie auch Aspekte psychoanalytischer Beziehungsgestaltung berücksichtigt

11.00 – 11.45 Uhr

Empfundenes Leid und verkörpertes Selbst: Eine Herausforderung für Trauma-Therapeuten/innen

Kathy Steel, MN CS


Abstract: 
Es scheint eine völlig normale und immer wieder auftauchende Hürde im Leben von Therapeuten/innen zu sein, stellvertretend traumatisiert werden zu können. Wir wissen, dass es uns durchaus passieren kann, überwältigt, ausgebrannt oder sogar unsererseits durch die Arbeit traumatisiert zu werden. Doch bislang wird dem Prozess wenig Aufmerksamkeit geschenkt, WIE wir unsere körperlichen Erfahrungen in der Arbeit mit unseren Klienten/innen einsetzen, und wie sich dies darauf auswirkt, welche Aspekte ihres Leids wir übernehmen und welche nicht. Wir werden darüber sprechen, wie das "Mit und bei dem Trauma Sitzen" unsere Emotionen, aber natürlich auch unseren Körper – der Ort, an dem wir die Emotionen fühlen – beeinflusst. Unsere Fähigkeit zu Empathie und Bindung verbindet uns auf tiefe Weise mit unseren Klienten/innen; sie ist aber auch eine Brücke, über die das Leid der anderen in unseren Körper einsickern und uns schwer zusetzen kann. Wie können wir unsere Balance finden zwischen Empathie und dem Aufnehmen des Schmerzes unserer Klienten/innen, ohne unsererseits davon zu sehr gequält zu werden? Wir könnten stets aufs Neue unser Körper-Selbst im Guten wie im Schlechten wahrnehmen und akzeptieren lernen, so dass wir vollständig bei unseren Klienten/innen sein können, ohne ihr Leid als unseres zu übernehmen. Und letztlich könnten wir Wege finden, uns stets aufs Neue um uns zu kümmern, indem wir nachdenken, uns freuen und ausgelassen sind, bewusst aktiv oder still sind, und uns liebevoll mit anderen verbinden. Dies kann unserem verletzlichen Körper-Selbst Erholung und Resilienz vermitteln.

Lernziele
Die Teilnehmer/innen werden in der Lage sein,

  • Aufzulisten, wie ihr eigener Körper die Traumatisierungen der Klienten/innen widerspiegelt
  • Zu beschreiben, wie sie mental Grenzen setzen können, während sie gleichzeitig bei ihren Klienten/innen sein können, um eine stellvertretende Traumatisierung zu verhindern
  • Mindestens drei Möglichkeiten praktizieren, wie sie auftanken und sich erholen können, um dem Burnout zu entgehen

Der Vortrag ist in englischer Sprache. Frau Huber wird für Übersetzungen zur Verfügung stehen.

Kurzbiografie

Workshop Session A 14.30 – 16.00 Uhr



Workshop 1

14.30 – 16.00 Uhr (1,5 Std.)
Session A

Nonverbale Kommunikation in der Behandlung dissoziativer Störungen

Kathy Steel, MN CS

Abstract: 
Dem therapeutischen Prozess mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Inhalt der Traumatisierungen, das haben viele von uns gelernt. In diesem Workshop werden wir die impliziten und oft unbewussten Kommunikationen untersuchen, die den verbalen Kommunikationen der Klienten/innen mit dissoziativen Störungen beigefügt sind. Implizite somatische Dissoziation, sichtbar an Gesten, Körperhaltung, Sprachrhythmus, Mimik, Blick, Bewegungen und Affekten, spiegeln die Konflikte, Bedürfnisse und Absichten unterschiedlicher dissoziativer Anteile in dem/r schwer traumatisierten Klienten/in. Wir werden uns darauf konzentrieren, wie wir implizite, "verkörperte" Mentalisierungen erkennen und damit arbeiten können, sowohl bei dem/r Klienten/in als auch bei dem/r Therapeuten/in, mit dem Ziel, sich eine primäre Quelle therapeutischer Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Die Fähigkeit der Kliniker/in, implizite Kommunikationen dissoziativer Persönlichkeitsanteile empathisch zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten, ist nämlich eine der wesentlichen Zutaten, integrativ eine Psychotherapie zu gestalten, welche den/die Klienten/in als Ganzes erfassen und dissoziierte Anteile zu mehr Integration bewegen kann.


Lernziele
Die Teilnehmer/innen werden in der Lage sein

  • Die Verbindung zwischen verkörpertem Mentalisieren, impliziten Kommunikationen und dem, was explizit gesagt wird, zu beschreiben
  • Nonverbale Interventionen aufzuführen, die geeignet sind, integrative Prozesse zu unterstützen
  • Die Rolle des Körpers bei der Arbeit mit Dissoziation in der therapeutischen Beziehung zu schildern

Der Workshop ist in englischer Sprache. Es wird jemand für Übersetzungen zur Verfügung stehen.

Kurzbiografie

Workshop 2

14.30 – 16.00 Uhr und 
16.30 – 18.00 Uhr (3 Std.)
Session A+B

Neurobiologie, therapeutische Beziehung und Tangotanzen - Was davon kann hilfreich sein bei der Behandlung komplex traumatisierter Menschen?

Dr. Wibke Voigt u. Dirk Steinkamp

Abstract:
Im ersten Teil des Tangoworkshops wird mit Hilfe der Neurobiologie und der Psychoneuroendokrinologie die Bindungsfähigkeit von (traumatisierten) Menschen betrachtet und der Einfluss auf die therapeutische Beziehung. Für bindungstraumatisierte Menschen ist es ausgesprochen hilfreich, eine korrigierende Erfahrung machen zu können. Die Erfahrung zeigt, dass dabei das Gefühl, die Kontrolle zu behalten, sowohl für KlientInnen als auch für die TherapeutInnen ausgesprochen wichtig ist. Dieses ganz konkret zu erfahren und zu erfühlen, dafür eignet sich besonders sich der Tango Argentino: Nur wenn beide Tanzpartner sensibel aufeinander achten und beherzt und verantwortlich auf gleicher Augenhöhe miteinander tanzen, kann er gelingen. Im zweiten Teil bringt der Tangolehrer Dirk Steinkamp diese Grundlage des Tango Argentino den TeilnehmerInnen bei.

Workshop 3

14.30 – 16.00 Uhr und 
16.30 – 18.00 Uhr (3 Std.)
Session A+B

Somatische Dissoziation bei Überlebenden ritueller Gewalt

Michaela Huber u. Thorsten Becker

Abstract:
Schwerste körperliche Probleme – sowohl akute (Stressfolge-Erkrankungen; Folter-Folgen) als auch in Form von Erinnerungen (Flashbacks, Programme…) - kennzeichnen und unterbrechen die Arbeit bei Überlebenden organisierter sexualisierter Ausbeutung immer wieder. Was tun? Ein Praxis-Workshop mit Supervisionsmöglichkeit.

Kurzbiografien

Workshop 4

14.30 – 16.00 Uhr (1,5 Std.)
Session A

Ein Blick in die Sprechstunde

Dr. med. Harald Schickedanz

Abstract:
Viele Menschen mit Traumafolgestörungen berichten häufig über große Ängste vor Ärzten, ärztlichen Untersuchungen oder generell Institutionen des Gesundheitssystems.
Auch Menschen, die z.B. in ihren Herkunftsfamilien wenig oder keine Gewalterfahrungen machen mussten, begegnen ihren ersten Grenzverletzungen bei medizinischen Eingriffen.
Der Workshop stellt Prinzipien, Theorie, Praxis und zahlreiche Beispiele aus der täglichen medizinischen Sprechstunde des traumasensiblen psychosomatischen Krankenhauses vor, die die ärztliche Sprechstunde zu einer erfreulichen Erfahrung machen können – diesseits wie jenseits des Schreibtisches…

Kurzbiografie

Workshop 5

14.30 – 16.00 Uhr (1,5 Std.)
Session A

Ergotherapie bei dissoziativen Störungen

Andrea Friebertshäuser


Abstract:
Sensibilitätsstörungen und/oder Taubheitszustände einzelner Körperbereiche, unerklärbare Schmerzen bis hin zu Lähmungserscheinungen, zeitlich und in der Dauer nicht immer adäquat zuzuordnen, Konzentrations- und Gedächtnisveränderungen, Konsultation diverser Fachärzte - meist ohne Ergebnis….

"Somatische Beschwerden unklarer Genese" –  immer häufiger die Überweisungsdiagnose auf ergotherapeutischen Verordnungen.

Und jetzt?

Bei guter traumasensibler Anamnese finden sich schnell Verbindungen zu Derealisationserleben, PTBS und struktureller Dissoziation.

In diesem Workshop werden anhand einer Vielzahl praktischer Beispiele aus dem klinischen und ambulanten Praxisalltag der Referentin primäre, sekundäre und tertiäre Dissoziation erläutert.

Neben den vorgestellten ergotherapeutischen Interventionsmöglichkeiten zur Stabilisierung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen besteht zugleich die Möglichkeit konkrete Behandlungsimpulse für eigene Fallbeispiele der Workshopteilnehmer/-innen zu erhalten.

Kurzbiografie

Workshop Session B 16.30 – 18.00 Uhr



Workshop 6

16.30 – 18.00 Uhr (1,5 Std.)
Session B

Berufsrisiko Traumatherapeut – Resilienzen durch Naturerleben fördern

Petra Hafele u. Ilka Pundt

"It is the marriage of the soul with nature 
that makes the intellect fruitful, 
and gives birth to imagination”
Henry David Thoreau 


Abstract:

Experten der Psychotraumatologie sind "indirekt" oder auch "sekundär" mehr traumatisierenden Ereignissen ausgesetzt als jede andere Berufsgruppe. "Man bewegt sich bei dieser Arbeit auf einem Minenfeld mit den Abgründen menschlichen Seins", beschreibt das Christian Pross in seinem Buch "Verletzte Helfer" (2009).

In diesem Workshop wollen wir vermitteln, auf welche Weise unmittelbare sinnliche Eindrücke in der Natur dabei helfen können, Belastungen, die durch die Arbeit entstehen, abzubauen und die eigenen körperlichen und seelischen Widerstandkräfte wachsen zu lassen.

Es werden sowohl Studien vorgestellt, die die wohltuende und gesundheitsfördernde Wirkung einer natürlichen Umgebung objektivieren konnten (Li , 2007; V. Lohr, 2010; Barton & Pretty, 2010), als auch dazu angeregt, das Erleben der Natur als Ressource in den Alltag zu integrieren.

Darüber hinaus wird diskutiert, wie die komplexe Achtsamkeit, die das Naturerleben mit sich bringt, den traumatisierten Menschen, mit denen wir arbeiten, bei der Reduktion ihrer Symptome helfen kann.

"Das Beste steht nicht immer in den Büchern, sondern in der Natur"
Adalbert Stifter

Kurzbiografien

Workshop 7

16.30 – 18.00 Uhr (1,5 Std.)
Session B

Diagnose und Differentialdiagnose komplexer Traumafolgestörungen und dissoziativer Störungen

Ute Bluhm-Dietsche

Abstract:

Neben der klinischen Anamnese und Befunderhebung ist es hilfreich und in vielen Fällen auch notwendig zur Erfassung der Ausprägung traumaassoziierter, besonders dissoziativer Symptomatik und zur Diagnosestellung, zusätzliche strukturierte Diagnoseinstrumente einzusetzen. Im Workshop sollen sowohl Selbstbeurteilungsfragebögen als auch diagnostische Interviews vorgestellt und ihre Einsetzbarkeit und Aussagefähigkeit erläutert werden.

Workshop 8

16.30 – 18.00 Uhr (1,5 Std.)
Session B

Kreative Ansätze in der stationären Musikpsychotherapie bei traumatisierten Patienten: Die Tischtrommelkonferenz

Jochen Sattler 

Abstract:

Die große Tischtrommel bietet den Teilnehmern der Trommelkonferenz eine spannende Begegnungsebene: Sie kommunizieren primär mit der Sprache der Trommel. Das macht nicht nur ungeheuren Spaß. Zugleich äußert sich darüber akustisch einerseits die die aktuelle Beziehungsstruktur der Trommelgemeinschaft, andererseits aber auch eine projizierte Konferenz innerer Anteile.

Daraus ergibt sich eine Vielzahl an spielerischen Zugangswegen zu schlecht integrierten oder dissoziierten Persönlichkeitsanteilen.

Das Verfahren wird seit 15 Jahren im stationären musikpsychotherapeutischen setting der Klinik im Metznerpark / Stadtklinik Frankenthal eingesetzt und hat sich – auch bei der Behandlung traumatisierter Patienten - sehr bewährt.

Kurzbiografie