Samstag, 02. Mai 2020

Gewalt – Macht – Sinn

Trauma, Dissoziation und Spiritualität

Vortrag 4

09.30 – 10.00 Uhr

Gott als Zuflucht in der Einsamkeit des Traumas

Tilmann Moser

Abstract: Meistens haben unsere Traumapatienten schon früh keinerlei Verständnis und Hilfe bei den entsetzlich einsamen Geschehnisses oder stillen kumulativen seelischen Leiden. Falls sie aus einem halbwegs religiösen Milieu stammen oder von Gott im Kindergarten oder der Schule gehört haben, wenden sie sich in ihrer Not an ihn oder an den Sohn oder die Mutter, zum Teil mit täglichen Gebeten oder beruhigenden Ritualen oder erzählenden Monologen mit der Hoffnung gehört zu werden. Zur therapeutischen Hilfe gehört das Ernstnehmen dieser später oft sogar vergessenen Hilfen. Gestalttherapeutische Konfrontationen helfen beim Finden und Aussprechen der Affekte.

Kurzbiografie

Vortrag 5

10.00 – 10.30 Uhr

Erlösende Geschwisterlichkeit – Verantwortung, Verzicht und Vergebung

Prof. Dr. Ursula Riedel-Pfäfflin

Abstract: Traumatisierende Erlebnisse von Gewalt, Hassbotschaften, Missbrauch und Fluchtprozessen bedrohen weltweit nicht nur Einzelne, sondern Massen von Menschen, auch und gerade Kleinstkinder und Heranwachsende in prekären Lebenssituationen. Waren nach dem ersten und zweiten Weltkrieg Millionen von Menschen der Überzeugung, nie wieder Krieg und Verfolgung zu wollen und sich dafür in neuen Gesellschaften einzusetzen, erfahren wir heute ein irritierendes Anwachsen von Droh- und Vernichtungsgeschehen, Ausbeutung und Zerstörung der Lebensbedingungen für zukünftige Generationen.

Wie können Beratung, Seelsorge und Therapie nicht nur in Bezug auf traumatisierte Einzelne und Familien verantwortlich handeln? Welche Bedeutung haben darin Traditionen und neue Ansätze unterschiedlicher Glaubenstraditionen und spiritueller Praxis mit ihren Sinn-zuschreibungen? Auf welche Privilegien und Annahmen müssen auch wir verzichten? Wie gelingen reife Vergebung und eventuell sogar Versöhnung?

Ausgehend von Rene Girards Analyse des Sündenbocksyndroms, der Logik der Gewalt und des Sinns von Erlösung wird die Vision eines Ansatzes bewusst gewählter Geschwisterlichkeit skizziert. Sie wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Archie Smith, Jr. (Berkeley) entwickelt und im internationalen/interspirituellen Dialog der Theorie und Praxis von Beratung, Therapie und Seelsorge vertieft: Siblings by Choice. Was kann erlösend sein?

Kurzbiografie

Vortrag 6

11.00 – 11.30 Uhr

Spurensuche nach dem Sinn von "Behandlungserfolgen" bei Klientinnen und Therapeutinnen

Jutta Stegemann

Abstract: Suche nach der Sinnhaftigkeit von Grenzerfahrungen in der Behandlung komplex traumatisierter Menschen aus der Sicht von Klientinnen und Therapeutinnen – ein absolut subjektiver Erfahrungsbericht.

In der Beziehung zwischen Therapeutin und Klientin werden beide mit Grenzerfahrungen konfrontiert die vorher nur schwer absehbar sind… und die den Sinn der jeweiligen Arbeit immer mal wieder infrage stellen.

Auf der Seite der Therapeutin erfasst einen immer wieder die Suche nach dem Sinn dafür "warum Menschen so handeln wie sie handeln" (sowohl die Täter als auch die Opfer) um dadurch zu einem besseren Verständnis dafür zu gelangen wodurch die jeweiligen Motivationen mit Sinn bedacht sind.

Ebenso gibt es bei den Klientinnen Phasen in der Therapie, in denen sie sich fragen, worauf sie sich da wohl eingelassen haben…Momente, in denen sie zweifeln, ob sie das wirklich so wollten wie sie es jetzt erleben und ob das was jetzt gerade mit ihnen passiert – momentan und auch in Zukunft sinnvoll sein kann?
Diesen Fragen wird aus persönlicher Perspektive nachgegangen.

Kurzbiografie


Workshop Session C …
14.00 – 15.30 Uhr

Workshop 11

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Trauma und Spiritualität

Tilmann Moser

Abstract: Der Workshop bezieht sich auf den Vortrag 4, mit gleichem Thema und der Möglichkeit, schwierige Behandlungsfälle zu supervidieren oder auch Theoriefragen zu diskutieren.

Kurzbiografie

Workshop 12

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Die Praxis interdisziplinärer, interkultureller und interspiritueller Seelsorge / Beratung / Therapie

Prof. Dr. Ursula Riedel-Pfäfflin

Abstract:

  • Austausch über den Vortrag im reflecting teams; eigene Fragen und Visionen
  • Einführung in die Arbeit der Just Therapy in Neuseeland: interkulturelle, inter-spirituelle Ansätze der
  • Arbeit mit Tätern und Täterinnen, und mit Traumatisierten: Einladung zur Verantwortung
  • Erfahrungsaustausch über Arbeit in diesen Bereichen
  • Beispiel einer interdisziplinären Fallbesprechung, wie sie in Dresden in der ehs monatlich seit sechs Jahren mit unterschiedlichen Berufsgruppen und Studierenden zu Fällen der Kindes-Wohlgefährdung angeboten wird, offen, frei und unentgeltlich. Was bedeuten in konkreten Situationen gewaltorientierter Familien, mit zahllosen Helfersystemen und Traumatisierten in mehreren Generationen: Verantwortung, Verzicht und bewusste Geschwisterlichkeit aller Beteiligten?

Kurzbiografie

Workshop 13

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Traumapädagogik – vom Sinn und Sinnhaftigkeit durch Gewalterfahrungen veränderter Selbst- und Weltbilder

Thorsten Becker, Julia Bialek, Heidrun Girrulat

Abstract:
 Die in den letzten 20 Jahren entwickelten traumapädagogische Konzepte leisten heute einen wichtigem Beitrag zur psychosozialen Unterstützung von Gewaltüberlebenden. Aber ist dieser hinreichend für Menschen mit schweren dissoziativen Überlebensformen - oder bedarf es der Weiterentwicklung? Eine konsequent traumasensible Haltung benötigt eine hohe Reflexivität in Bezug auf die Vermittlung von Werten vor dem individuellen Lebenshintergrund des Gegenübers und den daraus entstandenen Werten, Lebenszielen und der eigenen Sinnfindung im Leben.

Was bedarf es an traumapädagogischer Alltagsgestaltung und der damit verbundenen Haltung, um erschütterte und evt. destruktive Selbst- und Weltbilder neu zu definieren und darin neuen Sinn zu finden? Und inwieweit berühren diese Ansätze das Selbst und den Sinn der HelferInnen?

Kurzbiografien

Workshop 14

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Meditatives Tanzen in der Traumatherapie

Herta Konrad

Abstract: "Beim Tanzen kann ich den kleinen Ort in mir spüren, wo ich mich selbst lieben kann." (Aussage einer Borderline-Patientin nach dem Meditativen Tanzen)

Körperlichkeit und Körperausdruck sind für traumatisierte Menschen sehr häufig negativ besetzt: Sich zu zeigen, sich authentisch auszudrücken, macht verletzbar und kann gefährlich sein.

Hier bietet Meditatives Tanzen die Chance, durch vorgegebene Choreographien und Schrittfolgen die Angst vor dem Sichtbar-Werden im geschützten Rahmen zu nehmen. Es handelt sich dabei vor allem um Kreistänze zu klassischer, moderner und Folklore-Musik. Körpergebärden helfen, neue innere Haltungen einzuüben. Unterschiedlichste Heilungsreize können im Tanzen erfahren werden, oft wird Sehnsucht wach nach größerem Einssein mit sich selbst. Auftauchende Emotionen sind leichter aushaltbar, sie werden weniger beängstigend wahrgenommen und können so in ihrer unterschiedlichen Stärke und Differenziertheit entdeckt werden. Die tanzende Gruppe wird hierbei als mittragend und unterstützend erlebt, mitmenschliches Verbundensein wird spürbar.

Dieser Workshop soll in erster Linie der Selbsterfahrung dienen, eine Austauschrunde zum Ende hin ist eingeplant.

Kurzbiografie

Workshop 15

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Gewalt. Macht. Tradition. – Für einen traumatischen Start ins Leben

Margarete Sommer

Abstract: In den letzten fünf Jahren wurden in Deutschland mehr als drei Millionen Kinder geboren, die meisten davon während ihre Mütter Gewalt ausgesetzt waren. Das mag übertrieben klingen, aber viele der Übergriffe in der Geburtshilfe wie im sonstigen Gesundheitswesen werden so routiniert vollzogen und hingenommen, dass wir sie kaum noch oder gar nicht mehr bemerken. Seit einiger Zeit wird die Öffentlichkeit durch Elterninitiativen darauf aufmerksam. Hebammen, deren Kernkompetenz die Betreuung physiologischer Geburten ist, suchen nach Erklärungen und Auswegen. Sie plädieren für einen achtsameren Umgang mit dem Beginn des Lebens. Wie wir Menschen durch diese Zeit begleiten hat entscheidenden Einfluss auf viele Bereiche persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklung. Wir beobachten, dass gewaltgeprägte Routinen von Generation zu Generation beklagt und doch immer weiter fortgesetzt werden. Die Hebamme Margarete Sommer wertet im Rahmen ihrer Masterarbeit eine Umfrage unter Kolleginnen aus, in der sie erfragt hat, ob Gewalt in der Ausbildung werdender Hebammen früher und heute eine Rolle spielt(e) und wenn ja welche. Sie stellt die Frage, ob Gewalt und transgenerationale Traumatisierung in der Hebammenausbildung Tradition haben. Wenn das so ist, sollten wir alle, fachübergreifend, daran arbeiten zu verstehen warum das so ist, damit wir es verändern können. Denn: traumatisierende Geburtshilfe ist Ursache, Symptom und Folge von allem, worum wir uns nicht kümmern.

Kurzbiografie

Workshop 16

14.00 – 15.30 Uhr … Session C

Wie kann ambulante Psychotherapie mit komplex Traumatisierten/ dissoziativen Patient*innen beginnen und gelingen?

Linda Beeking

Abstract: Eines Tages sitzt jemand vor uns und wir realisieren, da sitzt jemand vor uns, die wir zunächst nicht fassen, nicht einordnen können und uns dämmert…dieser Mensch zeigt sich in verschiedenen Selbstanteilen oder ist bemüht uns gerade das nicht merken zu lassen. Viel gelesen, schon gehört? Aber um es mit Goethe zu sagen: "Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum."
Komplex traumatisierte PatientInnen fordern uns heraus, nicht zuletzt, weil sie ein herausforderndes Verhalten haben. Hochdissoziative Menschen waren oder sind i.d.R. schwerstem Gewalterleben und massiven Bindungstraumatisierungen ausgesetzt. Regelhaft finden sich Selbstanteile, die täterloyal oder täteridentifiziert das Werk der Täter im Inneren fortsetzen. Die PatientInnen mussten sich unerträglichen Lebensumständen anpassen und setzen diese Anpassungsleistung fort. Ein Balanceakt in der Psychotherapie.

Wie können wir den PatientInnen helfen, diese Phänomene zu verstehen und Veränderung zu ermöglichen? Wie können wir selbst verstehen, was jeweils ist und was es mit uns macht?


In dem Workshop soll, wie bereits im letzten Jahr, für KollegInnen, die erste Erfahrungen mit (hoch-)dissoziativen PatientInnen gemacht haben oder sich der Thematik annähern wollen, ein Überblick über ein sinnvolles Vorgehen gegeben, sowie entsprechende Strategien und Techniken dargestellt werden. An Fallbeispielen können zwischendurch Fragen erörtert werden.

Kurzbiografie