Stellungnahme des DGTD Vorstands zum Spiegel Artikel vom 11.03.2023 Ausgabe Nr.11

In der Spiegelausgabe Nr.11 vom 11.3.23 wurde ein hoch tendenziöser Artikel mit dem Titel „Im Teufelskreis“ veröffentlicht.

Am Beispiel einer einzelnen, emotional aufgebauschten Patientinnengeschichte wird in diesem Artikel pauschal allen Psychotraumatolog:innen fehlende Professionalität, der Glaube an Verschwörungsmythen und die absichtliche Manipulation der sich ihnen anvertrauenden Patient:innen unterstellt.

Gegen eine solche einseitige und spaltende Darstellung verwahren wir uns auf das Schärfste!

Es lässt sich ein sich wiederholendes Muster in der Diskussion ausmachen, wenn es um das Anzweifeln von Gewalt in der Gesellschaft geht. Die Rhetorik und scheinbare „Beweisführung“ im oben benannten Spiegelartikel ist dabei annähernd identisch mit derjenigen der False-Memory-Bewegung, die in den 1990er Jahren in den USA in dieser Form Berichte über sexuellen Kindesmißbrauch systematisch in Frage gestellt hat (vgl: L. Crook: „The power of False Memory Rhetoric“ in: Journal of Trauma and Dissociation 2022, Vol. 23, No 2, 148-151).

Es ist nicht therapeutische Aufgabe, „Beweise“ im engeren Sinne für die Äußerungen von Patient:innen zu finden. Sie kommen mit seelischem Leiden aufgrund verschiedener Ursachen, und für ihre Heilung brauchen sie es, ernstgenommen und professionell unterstützt zu werden. Wir sehen in unserem beruflichen Kontext Patient:innen und Klient:innen, die unsagbares Leid und folterähnliche Qualen erlitten haben, wie dies immer öfter im Bereich der Kinderpornographie und damit nicht selten verbundenen organisierten Täterringen nachgewiesen wird.

Als erfahrene Therapeuten:innen und Berater:innen sehen wir zudem sich wiederholende Befundkonstellationen bei verschiedenen Patient:innen, die auf sexualisierte und körperliche Gewalt in Kontexten hinweisen, die auch ideologische Hintergründe haben.

Wir distanzieren uns von dem Vorwurf der Verschwörungstheorie, der im Wesentlichen auf unbewiesenen Behauptungen basiert. Stattdessen berufen wir uns in unserer Arbeit auf empirische Erkenntnisse aus unserer Tätigkeit und der wissenschaftlichen Forschung und legen unsere Arbeit in Fachartikeln, Tagungen, Supervisionen und Qualitätszirkeln offen.

Betroffene jedweder Gewalt bedürfen unserer Hilfe und profitieren in aller Regel von unserer traumaspezifischen Behandlung, Betreuung und / oder Beratung. Sie können unter spezifischer Behandlung und Betreuung gravierende Symptome, schweres selbstschädigendes Verhalten und Suizidalität, lange erfolglose Psychiatrieaufenthalte sowie Medikamente mit vielen Nebenwirkungen reduzieren und lebensfroher und selbstbestimmter leben.

Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen kommen im gesamten medizinischen Bereich vor und können niemals vollständig ausgeschlossen werden. Um diese aber auf ein Minimum zu begrenzen, investieren wir unsere Arbeitskraft in Fort- und Weiterbildungen sowie fachliche Vernetzung.

Eine ausgewogene, sachliche und gut recherchierte Berichterstattung kann beitragen, Wissenslücken aufzuzeigen und Behandlungsfehler aufzuarbeiten. Im o. g. Artikel und ähnlichen Social-Media-Beiträgen werden Medien ihrer Verantwortung für den gesellschaftlichen Diskurs zum Thema Gewalt an Kindern und Erwachsenen nicht gerecht. Indem gezielt Personen verunglimpft werden und von einer einzelnen Patientin auf all die vielen anderen Betroffenen geschlossen wird, wird eine sachliche Diskussion verhindert.

Wir erwarten von der Presse und erst recht von einem führenden Nachrichtenmagazin bei einem so schwerwiegenden Thema ein deutlich professionelleres und ausgewogeneres Vorgehen.

 

Der Vorstand und die kooptierten Vorstandsmitglieder der DGTD e.V.

 

Diese Stellungnahme wird ebenfalls unterzeichnet von:

Dr. med. Katharina Drexler (EMDRIA e.V.)
Dr. med. Arne Hofmann (EMDRIA e.V.)