Samstag, 05. September 2015

Thema: Täterintrojekte

Vortrag 4

09.30 – 10.00 Uhr

Der Schatten des Täters im Selbst - die Bildung von sogenannten Täterintrojekten als Überlebensstrategie 

Dr. med. Jochen Peichl


Abstract: 

Nach Klärung der ursprünglich psychoanalytischen Bedeutung von Introjektion und Introjekt, entwirft der Autor eine Systematik verschiedener Formen der Introjektion, von der adaptativen Introjektion, wie sie Freud für die Gewissenbildung beschrieben hat (innerer Kritiker), über die die Introjektion als Abwehr von realem oder phantasiertem Verlust bei psychischem Missbrauch (innerer Verfolger), bis hin zur traumatischen Introjektion als Überlebensmechanismus bei physischer und sexueller Gewalt (sog. Täterintrojekt). Mit Hilfe der Theorie der strukturellen Dissoziation von Ellert Nijenhuis et al. und der neueren Erkenntnisse aus der Hirnforschung und wird der traditionell psychologische Ansatz beim Verständnis von sog. "Täterintrojekten" um die Dimension der Neurobiologie der Defensivsysteme von Säugetieren bei Bedrohung erweitert.

Kurzbiografie

Vortrag 5

10.00 – 10.30 Uhr

Täter werden – online und offline: Wie Internet-Pornografie bei Kindern und Jugendlichen sexuelle Gewalt fördert und normalisiert.

Tabea Freitag

Abstract:

Zwei Drittel der männlichen Jugendlichen konsumieren wöchentlich, 20 % sogar täglich Pornografie im Internet. Die frei verfügbaren Inhalte haben selbst auf den Mainstream-Seiten eine massive Steigerung hinsichtlich der Brutalität sexueller Misshandlungen und ausgefeilter Demütigungsrituale erfahren. Die Grenzen zwischen sog. "freiwilliger" (auf Dissoziation und Betäubung angewiesene) bzw. inszenierter Gewaltpornografie und der erzwungenen sexuellen Ausbeutung von Sexsklavinnen sind dabei fliessend. Die ständige Verfügbarkeit von sexuellem Kick und Thrill als Konsumgut und narzisstische Instantbefriedigung, verbunden mit der konditionierten Kopplung von Sexualität mit Gewalt und Demütigung fördert bei den Konsumenten nachweislich Vergewaltigungsmythen, die Akzeptanz und Bereitschaft zu sexueller Gewalt, Empathieverlust und eine narzisstische Anspruchshaltung in sexuellen Beziehungen. Letztere kann sich bis hin zu soziopathischen (All-)Machtphantasien steigern: Ich habe ein Recht auf alles, was ich will. Das Suchtpotential pornografischer Konsumsexualität führt zudem bei nicht wenigen zu einer Dosissteigerung, die sich hinsichtlich zunehmender Härte/Gewalt/Devianz und/oder hinsichtlich zunehmender Interaktivität (Cybersex, Cybergrooming etc. bis zu realen Kontakten) auswirken kann. Tägliche Konsumenten (männliche Jugendliche) von Pornografie nutzen dreimal so häufig auch Gewaltpornografie und sechsmal so häufig Kinderpornografie, sie äußern doppelt so häufig den Wunsch, das Gesehene auch real auszuleben und sie sind dreimal so häufig Täter von sexuellem Missbrauch als seltenere Konsumenten (baltic sea study, Priebe et al., 2007). 

Durch den Abbau von Hemmschwellen und vielfältige Anreize wird der Einstieg in verschiedene Formen der Täterschaft online und offline befördert, die im Vortrag beleuchtet werden sollen.

Vortrag 6

11.00 – 11.30 Uhr

Macht, Ohnmacht – Integration im Teamalltag

Dr. med. Kornelia Sturz

Abstract:

In dem Vortrag soll es darum gehen darzustellen, wie sich die Psychodynamik traumatisierter Patientinnen auf die Therapeutinnen und die enge Zusammenarbeit in täglichen Teamsitzungen miteinander auswirken. Destruktive Objektrepräsentanzen, dissoziierte Persönlichkeitsanteile, Mechanismen wie Projektion, projektive Identifikation, Täteridentifikationen wirken sich auf die Teamdynamik aus. Die zentralen Themen von traumatisierten Menschen wie Macht, Ohnmacht, Unterwerfung, Hilflosigkeit, Kontrollverlust versus Kontrolle und Macht in der Identifikation mit den Tätern wirkten sich ebenso wie Spaltungs- und dissoziative Mechanismen auf die Teamzusammenarbeit aus. Dies ist immer sorgfältig zu trennen von speziellen Patient-Therapeut-Interaktionen, eigenen Themen der Therapeutinnen und Pat.-unabhängige Teamkonflikte und Konkurrenzen. Die Leitung eines mit Traumatisierten arbeitenden Teams erfordert viel Klarheit und Präsenz, wobei immer berücksichtigt werden muss, dass auch die Teamleitung involviert ist. Aus diesem Grund ist regelmäßige Supervision unbedingt notwendig. 

Workshop Session C … 14.00 – 15.30 Uhr



Workshop 10

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Die praktische Arbeit mit Täterintrojekten mit den Methoden der Hypno- und Ego-State-Therapie

Dr. med. Jochen Peichl

Abstract:

Dies ist ein Intensivkurs zu dem Thema: Introjektion von Täter- und Verfolgeranteilen, bei Patienten mit schweren traumaassozierten Störungen (Borderline, K-PTBS, DIS). Nach John und Helen Watkins entstehen die einzelnen Selbstanteile (Ego-States) einer Person durch (1) normale Differenzierung in der Kindheitsentwicklung, (2) durch Introjektion wichtiger anderer und durch (3) Traumerfahrung als Überlebensmechanismus. Ausgehend vom einfachen und normalen Modell der Introjektion bei der Bildung der Werte und Normen eines Menschen (Über-Ich), befassen wir uns im Theorieteil mit der traumainduzierten Introjektion. Um neben der traumatischen Introjektion auch die Bildung von reaktiven Selbstanteilen zu verstehen, hilft uns die Theorie der "Strukturellen Dissoziation" von Ellert Nijenhuis et al, die kurz vorgestellt wird. Ein weiterer Baustein zum Verständnis ist die Sicht der systemischen Therapie zur Funktion des psychischen Symptoms als Lösung eines Problems - hier suchen wir die "gute Absicht" in der scheinbar destruktiven Aussage des "Inneren Täters". Neben dem klassischen Ego-State-Zugang zum Thema und den daraus folgenden therapeutischen Behandlungstechniken (Watkins, Hartman), wird die Bildung von Verfolgeranteilen auch aus systemischer und hynosystemischer Sicht (Gunter Schmidt) betrachtet und Therapeutische Konsequenzen vorgestellt. 
Durch praktische Übungen und Livedemonstrationen will ich die Theorievermittlung auflockern. Eigene Fallschilderungen durch die Teilnehmer zu dem Thema sind willkommen.

Kurzbiografie

Workshop 11

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Die andere Seite des Mondes - Umgang mit tätergebundenen und täterimitierenden Anteilen bei hochdissoziativen Patientinnen

Martina Rudolph

Abstract: 

Bei der erlebten schwersten Gewalt und den massiven Bindungstraumatisierungen, denen hochdissoziative Menschen ausgesetzt waren, finden sich regelhaft Anteile, die das Werk der Täter im Innen fortsetzen. Diese sind – wenn die Patientinnen im organisierten und ritualisierten Kontext geschädigt wurden – teilweise auch von den Tätern "gemacht" und beauftragt, die Codices und Gebote der Täterkreise zu wahren und zu verteidigen. Teilweise agieren diese tätergebundenen und täteridentifizierten Anteile aktiv und an der Oberfläche, z. B. durch Schweigegebote oder durch anhaltenden Täterkontakt, teilweise unauffällig und im Verborgenen, z. B. durch Schwächung der Gesamtperson. Sie binden gleichzeitig viel mentale Energie und tragen zentrale biographische Erfahrungen, so dass eine Arbeit an diesen Anteilen vorbei nicht erfolgreich sein kann. Es gilt also, diese in die therapeutische Beziehung zu holen und in therapeutisches Bündnis mit ihnen zu kommen ("ins Boot zu holen"). In dem Workshop soll ein Überblick über ein sinnvolles Vorgehen sowie entsprechende Strategien und Techniken dargestellt werden.

Workshop 12

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Eine Mütze für die Trauer – Lösungsorientiertes Malen in der Traumatherapie

Marion Reimann 

Abstract:

Das Lösungsorientierte Malen (nach Bettina Egger und Jörg Merz) ist eine eindruckszentrierte geführte Methode der Kunsttherapie, die darauf beruht, dass die Themen des Patienten (Gefühle, Wünsche, Kognitionen) durch Metaphern lösend bearbeitet werden. Außerdem ist es u.U. möglich, Traumaszenen darzustellen und diese bildhaft zu verwandeln. Die Erarbeitung von Selbstporträts oder Porträts wichtiger Bezugspersonen ermöglicht außerdem die Regulation der Beziehung zu sich selbst/zum Anderen und gegebenenfalls auch einen bildhaften Beziehungsabbruch zum Anderen. Diese Methode ist als gestalterisches Element in die Gesprächstherapiepraxis integrierbar.

Eingeleitet wird der Workshop mit einem Vortrag über das "Lösungsorientierte Malen" mit entsprechenden Fallbeispielen aus der stationären kunsttherapeutischen Praxis in der Klinik am Waldschlösschen.

Danach schließt sich eine kleine Selbsterfahrung im Lösungsorientierten Malen zu einem persönlichen Thema an, so dass jede TeilnehmerIn ein lösungsorientiertes Bild erarbeitet.

Literatur: "Lösungsorientierte Maltherapie" Bettina Egger/Jörg Merz, 2013, Huber, Bern

Kurzbiografie

Workshop 13

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Cybersex und Pornografiekonsum - Risiken und Nebenwirkungen, therapeutische Interventionen und Ansätze zur Prävention.

Tabea Freitag

Abstract:

Die Folgen einer medialen Sexualisierung jugendlicher Lebenswelten wie ein vielfach selbstverständlicher Pornografiekonsum, die mediale Normalisierung von Paraphilien, Phänomene wie sexuelle Selbstinszenierung im Internet oder sexuelle Übergriffe im Netz sind unübersehbar. Die ständige Verfügbarkeit von Sexualität als Konsumgut und Instantbefriedigung verändert nachweislich die Einstellung Jugendlicher wie auch Erwachsener zu Sexualität und Beziehung. Zahlreiche internationale Studien belegen: Pornografiekonsum gefährdet die Beziehungsfähigkeit, fördert sexuelle Gewalt und birgt ein hohes Suchtpotential. Sie verändert darüber hinaus die Wahrnehmung anderer wie auch des eigenen Körpers. Der Druck, pornonormierte Erwartungen zu erfüllen und eigene Intuition und Grenzen überschreiten zu lassen, hat insbesondere für Frauen und Mädchen massiv zugenommen. Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für uns als Therapeuten? 

Anhand von Fallbeispielen sollen spezifische Behandlungsstrategien zur Veränderung der die Sucht aufrechterhaltenden inneren ("eingebrannten") Bilder und Wege von der Virtualität (narzisstischer Entfremdung) zur Realität gesunder Intimität und Empathiefähigkeit aufgezeigt werden. 

Mit "Fit for Love?" wird zudem ein Präventions- und Interventions-Manual vorgestellt, das Jugendlichen Sexualität in ihrem biopsychosozialen Sinnzusammenhang vermittelt und u.a.

Workshop 14

14.00 – 15.30 Uhr (1,5 Std.)
Session C

Manipulation und Einschüchterung - Die Strategien der Täter und was wir ihnen entgegen setzen können

Claudia Fischer

Abstract:

Die Manipulationsstrategien von Tätern sind erstaunlich ähnlich wie die von Auto- oder Ölkonzernen, wenn sie in Bedrängnis geraten: Sie verdrehen Tatsachen und Schuldfragen, lenken ab, geben sich offen, freundlich und werben um Vertrauen (Grooming), um so zu beschwichtigen, zu vertuschen, zu verschweigen. Sie verbrüdern sich mit anderen Kritikern und gehen ganz plötzlich zum Gegenangriff über, um einzuschüchtern und zu verunsichern. Das alles sind klassische Strategien aus der Krisen-PR. Wie man diesen Strategien begegnen kann, öffentlich, medial, gesellschaftlich und individuell, wird die Journalistin und Medienpädagogin Claudia Fischer mit den Teilnehmer/innen in diesem Workshop erarbeiten.